Heiraten in fünf Tagen, Teil 3

Natürlich gibt es auch einen offiziellen und öffentlichen Teil der Hochzeit - nämlich die Feier mit dem weißen Kleid und mit der ganzen, ja tatsächlich der ganzen Familie, Freunden und Nachbarn. Ehrlich gesagt, mein Lieblingsteil - nicht nur, weil die Gäste schön angezogen sind.

Fängt an mit "die Mädels gehen zum Friseur" - bedeutet übersetzt: das volle Programm, also Frisur, Make-up, Fingernägel und definitiv in der Türkei: Haarentfernung im Gesicht. Das dauert. Deswegen kann es sehr klug sein, nicht zum Lieblingsfriseur zu gehen, der zwar einen Freundschaftspreis macht, aber nur zwei Hände hat. Mit der Braut allein ist er vier (4) Stunden beschäftigt. Es gibt etwa zwanzig weibliche, pflegebedürftige Familienmitglieder. Die Braut kommt - mit den Nerven vollständig am Ende - zu ihrer eigenene Hochzeit zu spät, ungefähr zwei Stunden, weil vorher noch das Fotostudio aufgesucht werden muss. Ob es im Türkischen eine Vokabel für "Zeitmanagement" gibt? Zumindest scheint sie niemand zu vermissen, die Vokabel. Ohne Worte. Macht nix. Lernaufgabe.




Die Gäste nehmen es sehr gelassen. Alle werden in ein traumschönes Gartenlokal expediert, so eins mit kleinen Bächen, Enten und Gänsen, Pavillons, sehr türkisch, dorthin geht man zum Sonntagsfrühstück - kann ich unbedingt empfehlen. Dort gibt es keine Sommerhitze - die Wasserläufe halten das Areal schön kühl. Gut für die Gäste - sie können schon reichlich essen und trinken, auch ohne die Hauptpersonen. In dem gewählten Lokal gibt es eine amphitheatrische, kleine Bühne, wo sich die Band mit der dicken Sängerin austobt, der Brauttisch Platz hat und alle Gäste tanzen, also groß genug.

Ehe das Brautpaar erscheint, sind die Gäste schon satt, manche nicht mehr nüchtern, alle tiefenentspannt. Mit der mobilen Telefontechnik weiß man, wann es spannend wird und dann treten sie auf: Wunderschön in strahlendem Weiss die Braut, die trotz des schwiegermütterlichen Anliegens das rote Jungfernband nicht um die schwangere Taille trägt und sehr elegant und formvollendet der Bräutigam - sie sind ein bildschönes Paar, die Gäste applaudieren sie angemessen auf die Bühne. Meine schöne Nichte (11) in ihrem ersten Abendkleid bleibt vorerst zurück. Ihr Auftritt kommt später.

Auf der Bühne tanzen sie - erst allein, dann mit den Gästen, getanzt wird dann auch im Verlauf des Abends noch sehr viel, sehr temperamentvoll, sehr fröhlich, ansteckend, lebendig, das junge Glück und das Leben feiernd. Obschon es der teuerste Teil der Eheschließung ist - es ist der fröhlichste, lebendigste. Es ist eine eher kleine Hochzeit, nur etwa 200 Menschen.

Ich erfahre mit Erstaunen, was es bedeutet, eine Blutsverwandte in der Türkei zu sein, wildfremde Menschen wollen mich begrüßen, mit mir ein Glas trinken, ihre zwei, drei deutschen Vokabeln anwenden. Ich fühle mich geehrt und respektiert und verstehe plötzlich, warum meine Schwägerin unbedingt in die Türkei zurück wollte. Ich muß nichts erklären, ich bin Elifs Tante und damit aufgenommen in die Familie. Tamam. Das fühlt sich warm und gut an. Ich setze die Berichterstattung mit Torte und Geschenken fort - in Kürze.

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